Text: Lucile Troel
Gerade rechtzeitig, Justine!
In letzter Minute überquerte die Seglerin heute Nachmittag die Ziellinie, um ihr TeamWork - Team Snef noch rechtzeitig vor den Sturmfluten in den Kanal zu steuern. Gestern Nachmittag wurde sie durch ihr zerrissenes Grosssegel oberhalb des dritten Reffs behindert, doch Justine mobilisierte ihre letzten Kräfte, um jeden Windstoss hinter der Front auszunutzen. Ein besonders zermürbender Endspurt, den die Seglerin schnell vergass, sobald sie die Ziellinie passierte. Schon im Kanal hielt sie ein Schild mit der Aufschrift „Thanks to my Team“ hoch:
„Diese Ankunft ist einfach verrückt!“, erklärte Justine mit einem Fuss auf dem von Menschen überfüllten Steg.
„Und diese Vendée Globe ist anspruchsvoll. Irgendwann merkt man gar nicht mehr richtig, was man da eigentlich macht. Ich hatte Spass bis zum Kap Hoorn. Danach war die Rückkehr durch den Atlantik ziemlich hart. Selbst heute musste ich kämpfen, um die Ziellinie zu überqueren. Ich habe das Gefühl, mein Boot gut geführt und manchmal die richtigen Entscheidungen getroffen zu haben. Das Boot ist erschöpft, die Skipperin auch – aber ich bin super zufrieden mit der Arbeit des Teams.“
In der Menge, die Justine in Empfang nahm, waren einige grosse weibliche Namen des Vendée Globe vertreten, wie Catherine Chabaud oder Isabelle Autissier, die es sich nicht nehmen liessen, die erste von sechs Seglerinnen dieser zehnten Vendée-Globe-Edition zu begrüssen. Sie waren sich der bemerkenswerten Leistung von Justine bewusst, die als Achte in Les Sables d’Olonne eintraf.
Justine hat nie aufgegeben.
Achte. Seit ihrem Einstieg in die IMOCA-Serie im Jahr 2020 hat Justine bei allen Transatlantikrennen Plätze zwischen dem fünften und achten Rang erreicht, sodass diese grossartige Leistung keine Überraschung ist. Dennoch war nichts im Voraus garantiert, und es war eine Herausforderung, dieses Niveau bei der Vendée Globe zu halten: Mit 40 Booten, darunter 17 neueren IMOCAs als Justines, war das Teilnehmerfeld dieser zehnten Ausgabe so stark wie nie zuvor.
Erstaunlich: Justine zählte bei ihrer Abreise aus Les Sables d’Olonne zu den Neulingen. Zwar hatte sie mit ihrer Crew auf der Eleventh Hour The Ocean Race 2023 gewonnen und dadurch ihre Kenntnisse über die südlichen Meere perfektioniert, aber man darf nicht vergessen, dass die Schweizerin vor dem Start nie länger als 22 Tage allein auf See war. Und dass ein Vendée Globe – dieses 25.000-Meilen-Marathonrennen, bei dem man „zwei Monate lang mit einem Damoklesschwert über dem Kopf segelt“, wie Justine sagt – eine ganz eigene Herausforderung ist.
Manche hätten sich zurückgezogen und abgewartet. Doch Justine war sich der Stärken und Grenzen ihres TeamWork - Team Snef bewusst und hat stets versucht, das Tempo zu halten. Letztlich wird sie nur von grossen Meistern des Hochseesegelns geschlagen. Zwischen Platz eins und sieben gibt es acht Siege bei der Solitaire du Figaro und fünf bei der Route du Rhum – beeindruckend.
Um diese achte Platzierung zu erreichen, war ein unermüdliches Engagement erforderlich. Hier ein Rückblick auf acht Schlüsselmomente einer nahezu fehlerfreien Reise.
12. November: Vor Portugal, 10. Platz
Wie erwartet startet die 10. Vendée Globe in einem „Transat“-Tempo mit einer ersten Herausforderung am Kap Finisterre: 35–40 Knoten Wind, raue See. Justine ist von Anfang an dabei und entscheidet sich für eine Route ausserhalb des Verkehrstrennungsgebiets, um die Manöver zu minimieren und „keinen grossen Fehler zu machen“, wie sie sagt. Trotz dieses Umwegs hält ihr TeamWork - Team Snef das Tempo der Besten.
15. November: Flaute in den Passatwinden, 6. Platz
Auf der gesamten Fahrt durch den Atlantik bleibt Justine im Rennen. Sie nutzt ihre Position clever, indem sie wie die Führenden nach Westen zieht, aber zugleich einen südlichen Abstand beibehält. Dies bringt ihr sogar kurzfristig den dritten Platz ein! Es ist mühsam: viele Manöver, launische Winde, unzuverlässige Wettermodelle und drückende Hitze. Doch Justine hält durch.
27. November: J0-Vorfall, 13. Platz
Am Ausgang der Doldrums liegt Justine auf Platz 6 und kann auf eine gelungene Atlantiküberquerung zurückblicken. Doch im südlichen Atlantik setzt sich die Geschwindigkeit moderner Boote durch. Ihr J0-Segel reisst zweimal, beim zweiten Mal endgültig. „Die Energie, die ich aufwenden musste, um die Segel zu retten, ohne etwas anderes zu beschädigen, war enorm“, erinnert sie sich.
16. Dezember: Frauenpower! 11. Platz
Rund um Platz 10 liefern sich drei Frauen (Sam Davies, Clarisse Crémer und Justine Mettraux) und ein Mann (Boris Herrmann) ein spannendes Duell. Ein humorvolles Detail: Es kursieren scherzhafte Bilder von „Boris und seinen Engeln“ in den sozialen Medien.
28. Dezember: Kap Hoorn, ein Symbol. 10. Platz
Justines erstes Kap Hoorn allein, doch sie kann das berühmte Felsmassiv nur auf dem Bildschirm sehen, da sie 60 Meilen südlich vorbeisegelt. Trotzdem meistert sie die 26 Tage im Südpolarmeer fast vollständig am Limit ihres Bootes.
25. Januar: Les Sables d’Olonne, 8. Platz
Mit zerrissenem Grosssegel überquert sie die Ziellinie und geniesst die triumphale Einfahrt in den legendären Kanal. Ein unvergesslicher Abschluss!
Vendée Globe von Justine Mettraux in Zahlen:
- Rennzeit: 76 Tage, 01 Stunde, 36 Minuten, 52 Sekunden
- Durchschnittsgeschwindigkeit auf dem Wasser (28.101,6 Meilen): 15,4 Knoten